Heiße Hündin
„Unsere Hündin ist heiß", murmelte ich. Davor hatte mich Frau Sieg, die Sachbearbeiterin, gefragt, wie es mir ginge. An ihrer verblüfft-verständnisloser Miene ließ sich ablesen, daß sie in einer Weltstadt lebt, irgendwo oben in einem Steinhaus ohne Garten. Keine Ahnung von heißer Hündin im Haus. Auch Frau Bergmann fragte mich, wie es mir ginge und ich antwortete ihr dasselbe. „Ach du liebe Zeit!" entfuhr es ihr und sie eilte aus der Nachbarschaft herbei zu uns, wo gerade an der Glastür recht wenige, nur vier oder fünf Hunde klebten. Frau Bergmanns Reaktion zeigte: Sie ist erfahren im Landleben mit heißer Hündin. Wusste Gott wirklich genau, was er mit dem sexuellen Triebsystem in Tier und Mensch in seiner Allmächtigkeit schuf? Er hat uns Menschen als Beherrschungswerkzeug unseres Triebes schließlich Hilfen geschickt - etwa Sigmund Freud. Aber was für Mittel schickte er uns gegen heiße Hündinnen bzw. deren Folgen? Auf diese zweiflerische Frage an den Schöpfer dieser Welt kam ich auch erst jetzt, wo unser Hundehalterdasein durch die biologische Reifung von ,,Biba" in ein Hundeleben umfunktioniert ist. - Ich bezweifle einfach, daß Gott in seiner Weisheit der Schöpfung empirische Vorerfahrungen sammelte, was es heißt, in einem Landhaushalt eine heiße Hündin zu haben. Rasti von nebenan, die Pudel von unten an der Straße oder Max und Sand von oben - das sind uns vertraute Dauergäste. Aber um uns leben sie schon alle: Die Rüden aus dem Kreis Uelzen. (Misch)Rassen aus dem Ausland, den Nachbardörfern, sie alle wohnen, kämpfen, pinkeln, lechzen, seufzen und jaulen an der Glastür hinten und an der vorne. Tag und Nacht. Über und unter null Grad. Jetzt verstehe ich, warum die meisten Hundehalter Rüden halten. Die Spritze für Biba beim Tierarzt gegen ungewollte Schwangerschaft, nicht ein Rüde wich. Die zahllosen Sprays verschiedener Firmen, die andere Hunde vertreiben und eigenen nicht schaden sollen nichts. Gäste? Keine mehr. „Sei froh," lästerte ein Kollege am Telefon. „sei froh, daß der liebe Gott bei uns Menschen so viel wegtrainiert hat. Durch die wunderbaren Sublimierungsmöglichkeiten unserer Kultur, durch Musik, durch Malerei, durch Autos und Boxen können wir doch immerhin mit unserer Sexualität...Aber ich habe die Nase voll von Tiefenpsychologie. Die setzt erst ein, wenn im Sommer wie- der die kleinen Gruppen männlicher Jugendlicher sich auf die Straße vorn neben den Pflaum- bäumen sammeln. Aber damit hatte ich gerechnet, als ich Töchter wünschte und zeugte. Mit Jünglingen kann ich umgehen, Töchter anflehen, mit ihnen um- zugehen, indem sie sie umgehen oder mit ihnen gehen. Gott gab uns die Erziehung als Werkzeug für unsere Sex-Gestaltung. Aber was nur gegen heiße Hündinnen und deren Anbeter? Ich weiß: Nichts gab er uns. Denn schon in meiner Kinderbibel sah ich in den Abbildern vom Paradies alles - nur keine Haufen von Rüden. Und die letzten fünf Wörter meine ich mehrdeutig.
14. Februar 1995